Interview FOKUS mobilität

Boommarkt Auto-Abos

Mieten statt kaufen? Was für Immobilien gang und gäbe ist, wird auch bei Autos immer beliebter. Seit 2017 bietet in der Ostschweiz etwa «SwissCar4Rent» aus Weinfelden diese Dienstleistung an. Im Gespräch erklärt Geschäftsführer Michael Sommer, für wen sich das Modell eignet und was es für die Kunden zu beachten gilt.

Michael Sommer, wieso sind Sie 2017 ins Mieten-stattKaufen-Geschäftsmodell eingestiegen

Ich habe meine Lehre in einer Leasingfirma abgeschlossen. Bereits 1999 finanzierte ich einige Fahrzeuge selber und bot sie als Leasing oder Langzeitmiete an. Die Zeit war damals aber noch nicht reif für das Mietmodell: Das Internet war noch neu; Onlineangebote gab es noch nicht. Kundenaquisition war nur über Zeitungsannoncen oder Aussendienstmitarbeiter möglich – und so geriet die Idee wieder in Vergessenheit. Als eine Autovermietung 2017 bei mir ein Fahrzeug kaufte, habe ich mich wieder mit dem Thema befasst. Dabei kam ich zur Überzeugung, dass es ein grosses Bedürfnis ist, Autos langfristig zu mieten.

 

Welche Vorteile bietet denn das Miet- gegenüber dem Leasingmodell?

Beim Fahrzeugleasing ist der Leasingnehmer über Jahre an einen Vertrag gebunden. Die persönliche Situation kann sich jedoch rasch ändern: Familienzuwachs, Arbeitslosigkeit, Wohnortwechsel ... Eine vorzeitige Auflösung des Vertrages oder ein Fahrzeugwechsel ist aber meist nur mit hohen Kosten möglich. Zudem ist der Leasingnehmer nicht Eigentümer des Fahrzeuges – und bei einem Kauf nach Ablauf des Vertrages bestimmt die Leasingfirma den Kaufpreis.

 

Werden in der Regel vorhandene Fahrzeuge vermietet oder kann der Kunde ein Wunschfahrzeug bestellen?

Wir vermieten nur unsere vorhandenen Fahrzeuge. Da alles inklusive ist, also auch Wartung und Reparaturen, achten wir auf zuverlässige und im Unterhalt kostengünstige Fahrzeugmodelle. Wir bauen unser Fahrzeugangebot aber stetig aus und versuchen, in Einzelfällen auch Kundenwünsche zu berücksichtigen.

 

Und wie sieht das Kundensegment aus?

Die Beweggründe, ein Fahrzeug zu mieten, sind vielfältig – und auch die Jahreszeit spielt eine grosse Rolle: Im Winter ist die Nachfrage nach Kleinwagen gross, da sie vor allem als Übergangslösung für Motorradfahrer, E-Bike-Fahrer oder als Zweitwagen gemietet werden. Im Sommer haben wir viele Schweizer 

Kunden, die im Ausland wohnhaft sind, einige Monate hier verbringen und mobil sein möchten. Wir haben auch viele Stammkunden, die seit Firmengründung ein Fahrzeug gemietet haben, weil die monatlichen Kosten überschaubar sind und ausser dem Benzin alles inklusive ist.

 

Gibt es «Generationenunter-schiede»?

Nein! Unsere jüngsten Kunden sind gerade mal 20 Jahre alt, der älteste über 80. Kunden im Pensionsalter möchten vielfach kein Auto mehr kaufen, weil sie nicht wissen, wie lange sie noch Auto fahren. Auch sie bevorzugen eine flexible, monatlich kündbare Lösung. Wir haben auch Praktikanten, die für einige Monate ein Praktikum an einem entlegenen Ort absolvieren, oder Saisonarbeiter, die in einem Skigebiet arbeiten.

 

«Einige haben ihre Angebote bereits wieder eingestellt.»

 

Wenn man die Angebote schweizweit vergleicht, können je nach Anbieter auch luxuriösere Wagen gemietet werden. Was ist Ihre Philosophie, was das Fahrzeugangebot anbelangt?

Unsere Kunden suchen eine Möglichkeit, um ihr Bedürfnisse nach Mobilität kurz- oder langfristig zu befriedigen, nicht um ein Luxus- oder Sportfahrzeug als Statussymbol zu fahren. Eine kostengünstige monatliche Mietrate ist dabei zentral. Ein Luxusfahrzeug für mehrere Monate zu mieten, macht für mich wenig Sinn: Wenn ich für einen Tesla über 1000 Franken Miete pro Monat bezahlen muss, das Leasing aber bereits für 344 Franken angeboten wird, stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr.

 

Wie lange wird ein Wagen im Angebot behalten?

Ein Fahrzeugwechsel ist bei uns jederzeit monatlich möglich; in der gleichen Kategorie auch ohne Aufpreis. Ausgedient hat ein Fahrzeug, wenn die anstehenden Reparaturen oder Unterhaltsarbeiten seinen Wert übersteigen. Dann wird gemeinsam mit dem Kunden ein Ersatzwagen bestimmt. Die ausgedienten Fahrzeuge werden dann meist in den Export verkauft.



In der Schweiz gibt es immer mehr Anbieter, die das «Mieten-statt-Kaufen-Modell» anbieten, auch bekanntere Autovermieter bieten längerfristige Mietmodelle an. Wie heben Sie sich von der Konkurrenz ab?

Wir bieten ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sind immer persönlich für unsere Kunden da und streben auch individuelle Lösungen an. Zudem verschafft uns die Erfahrung in der Langzeitmiete einen gewissen Vorteil. Die ‹Grossen› sind neu eingestiegen aufgrund der Corona-Krise. Sie mussten nach Lösungen suchen, da sie ihre Fahrzeuge nicht mehr vermieten konnten. Einige haben ihre Angebote bereits wieder eingestellt.

 

Für wen lohnt es sich konkret, ein Auto zu mieten statt zu kaufen oder zu leasen?

Für alle, die einfach nur fahren und dafür monatlich einen fixen Betrag zahlen möchten. Sie müssen nur noch tanken und ab und zu Scheibenwasser nachfüllen.

 

Spielen da die Versicherungen bei jedem Kunden mit?

Unsere Fahrzeuge sind als Mietfahrzeuge in einem Kollektivertrag versichert. Die Angaben der Fahrzeuglenker sind deshalb nur uns bekannt. Selbstverständlich wirkt sich die Schadenbelastung nachhaltig auf die Prämie aus. Da wir aber nur ‹vernünftige› Fahrzeuge und keine Sportwagen vermieten, ist das Risiko eher gering.

 

Und worauf muss der Kunde achten, bevor er sich für ein Angebot entscheidet?

Er soll genau klären, was für Leistungen inklusive sind. Dazu zählen der Pannenschutz, der Selbstbehalt in einem Schadenfall und der Service bei anstehenden Reparaturen und Wartungen wie zum Beispiel ein kostenloser Ersatzwagen. Es macht auch nicht viel Sinn, wenn der Kunde verpflichtet wird, im Herbst die Reifen beim Vermieter zu wechseln, wenn er am anderen Ende der Schweiz wohnt. Ebenfalls wichtig sind die Laufzeit des Vertrages und die Ausstiegsbedingungen während dieser Zeit. Wer zum Beispiel einen

 

 

festen Mietvertrag auf 36 Monate ohne Ausstiegsklausel abschliesst, kann ebenso gut einen Leasingvertrag abschliessen.

 

 

Stellen Sie eine erhöhte Nachfrage wegen der CoronaKrise fest?

Absolut! Es begann mit dem Lockdown, als der öV nur noch eingeschränkt gefahren ist, und hat seit der Einführung der Maskenpflicht noch einmal zugelegt. Anfänglich waren es hauptsächlich Pendler, die im Gesundheitswesen tätig sind und von ihren Arbeitgebern angewiesen wurden, auf den öV zu verzichten. Nun sind noch Kunden dazu gekommen, die aus Angst vor einer Ansteckung auf ein Mietfahrzeug umgestiegen sind – und solche, die einfach keine Maske tragen möchten.

 

Und wie hoch ist die Nachfrage nach Fahrzeugen, die mit erneuerbaren Energien angetrieben werden?

Gleich null. Fahrzeuge mit Elektroantrieb spielen eine sehr untergeordnete Rolle in der Vermietung – noch. Ein Grund könnte die verhältnismässig teure Anschaffung sein. Sollten sich die Preise ähnlich den vergleichbaren Benzinmodellen entwickeln, sehe ich viel Potenzial in der Autovermietung. Ich würde es auf jeden Fall begrüssen.

«Ein Luxusfahrzeug für mehre Monate zu mieten macht wenig Sinn .»

Text: Tanja Millius

Bilder: Marlies Thurnheer - fokusbild.ch